30. Januar 2023
Das Fram-Archiv: eine Schatzkiste!

Die letzte Ausstellung ist abgebaut, die Vitrinen sind weggestellt, die Exponate wieder aufgeräumt. Der Raum im Museum Fram steht erneut leer, und trotzdem lebt das Archiv, das sich bei uns im Keller befindet, weiter. Denn immer wieder erreichen uns Anfragen aus aller Welt. Erstaunlich, was alles gefragt und gesucht wird.

Der Monsignore

Mit dem Porträt von Papst Pius X. des Malers Giorgio Szoldatits (1873-1955) konnten wir einen Monsignore aus dem Vatikan beglücken. Er stammt aus derselben italienischen Stadt –Treviso – wie Papst Pius X. (1835-1914). Seit über zwanzig Jahren hatte er das originale Ölbild gesucht, das dem Benziger Verlag als Druckvorlage für Bilder diente. Bei seinen Recherchen gelangte er an das Kloster Einsiedeln, das ihn schliesslich an das Museum Fram verwies. Hier befindet sich das Werk noch heute. Wir haben es im Jahr 2017 in der Ausstellung «Benziger. Der Weltverlag im Klosterdorf» gezeigt. Wie glücklich war der Monsignore – und zudem erleichtert, als die Antwort auf Italienisch erfolgte; so müsse er nicht mehr die Schweizergardisten stören, um Mails auf Deutsch zu übersetzen, sagte er. Jedes Mal, wenn wir jetzt im Archiv zufällig etwas über Papst Pius X. finden, wie zum Beispiel die Korrespondenz zwischen Maler und Verlag, kontaktieren wir den Monsignore, und er freut sich immer riesig. Leider hat er Covid-bedingt einen Besuch verschieben müssen. Wer weiss, vielleicht findet er doch noch einmal den Weg nach Einsiedeln.

Die Hexe

Jedes Mal freut man sich, nicht nur den Interessenten zu helfen, sondern auch selbst etwas Neues zu lernen, etwas zu entdecken, sich als Detektiv zu fühlen. Denn tatsächlich sind die Recherchen nicht immer einfach. Oft müssen viele Bücher, Dokumente, Blätter und Bilder gesichtet werden. Auf der Suche nach einer Hexe, zum Beispiel, für eine nette Dame. Diese hatte Ende der 1970er Jahre ihren Kindern immer eine Geschichte aus der Monatszeitschrift «Ehe Familie» des Benziger Verlages vorgelesen. Weil ihre Kinder damals diese Geschichte liebten, wollte sie diese auch ihren Enkelkindern vorlesen. Leider wusste die nette Dame nur noch, dass die Hexe in der Geschichte «Gurriburrli» hiess. Entschlossen, sie zu finden, blätterten wir Jahrgänge um Jahrgänge der Zeitschrift durch, bis das «Häxli Gurriburrli» im Heft Nr. 4 aus dem Jahr 1975 doch noch zum Vorschein kam!! Der korrekte Titel der Erzählung war «Dr Räuber Zwickzwack». Stolz konnten wir die gescannte Seite an die glückliche Grossmutter schicken.

Die kinderreiche Mutter

Immer wieder dienen Bilder oder Dokumente der Sammlung für Publikationen und Forschung. Und immer wieder sitzen Recherchierende bei uns im Atelier und durchforsten Materialien aus unserem Archiv. Sebastian Brändli und seine Schwester Esther Scheidegger fanden bei uns im Archiv die vielen Texte, die ihre Mutter Cécile Brändli-Probst als Autorin in den 1950er und 1960er Jahren in der Zeitschrift «Die Familie» des Benziger Verlages publiziert hatte. Daraus entstand das Buch «Von den Freuden der kinderreichen Familie», das im Februar 2020 als Auswahl von Kurzgeschichten im Limmat Verlag erschienen ist. Seine Erfahrungen mit uns hat Herr Brändli in einem Blog-Beitrag erzählt.

Die Wissenschaftler

Für den Katalog der Ausstellung «Nach der Natur» in der Fotostiftung Schweiz in Winterthur vom Oktober 2021 bis Januar 2022 kam dem Fotografiehistoriker Martin Gasser eine Illustration aus dem Sammelband «Original-Holzschnitte weltlich für Alte und Neue Welt, etc.» zu Gute. Er war froh, ein bildliches Dokument zu haben, das die Anfänge der Fotografie im 19. Jahrhundert in der Schweiz belegt: Auf dem Holzschnitt ist ein frühes Fotoatelier zu sehen.

Oft werden die Quellen des Archives für Dissertationen aus den verschiedensten Gebieten konsultiert. Dass eine Illustration aus dem Sachbuch «Felszeichnungen in den Alpen» des Benziger Verlages von 1984 für die Urgeschichtsforschung von Interesse ist, haben wir durch eine Anfrage eines Doktoranden der Universität Tübingen erfahren.

Das Namensrätsel

Und manchmal gibt es auch glückliche Verkettungen. So recherchierte ein Landschaftsarchitekt und Doktorand der ETH in Zürich verschiedentlich bei uns in der Fram über die Landschaft um den Sihlsee. Dank verschieden Briefen und Dokumenten konnte er nebenbei eine ein paar Tage zuvor bei uns eingegangene Anfrage aus Einsiedeln zumindest teilweise beantworten. Der Doktorand fand nämlich den Nachnamen eines Künstlers heraus, der bis dato nur als Kürzel bekannt war. Das war ein weiterer Glücksmoment – ganz nach dem Serendipity-Prinzip*! Plötzlich hatte R.W., dessen Sihlsee-Bild in der Zeitschrift «Einsiedler Kalender» von 1901 abgedruckt ist, den Nachnamen Wydler. Er wurde im «Künstler-Copierbuch» Nr.83 aus dem Jahr 1900 von Benziger als «Zeichner» erwähnt. Vielleicht finden wir noch heraus, wie er mit Vornamen hiess.

Erstaunlich ist auch, woher all diese Anfragen kommen: Kürzlich schickten wir die gescannten Seiten eines Musik-Artikels mit dem Titel «Die Kunst der Fuge. Paralipomena zu einer Aufführung» aus der Zeitschrift «Schweizerische Rundschau» aus dem Jahr 1928 nach Spanien, zwei gescannte Benziger-Kataloge nach Österreich und eine Reproduktion einer Chromolithografie ins Tessin.

Der Seppli

Über spontane Besuche können wir uns auch immer wieder freuen. Zehn Minuten nach dem Telefonat stand eine sympathische Nostalgikerin aus Einsiedeln an der Tür, mit dem Wunsch das Gedichtlein «vom Seppli, wo wott go Fischli fange», das sie als Kind in der dritten Klasse so grossartig fand, wieder einmal zu lesen. So gingen wir zusammen ins Depot, um auf gut Glück das Schulbuch der dritten Klasse zu finden. Zum Glück erkannte unsere Besucherin relativ schnell das Titelbild des Buches, das der Benziger Verlag im Jahr 1939 herausgab. Erinnerungen wurden wieder lebendig!

Leider finden wir nicht bei allen Anfragen das Gesuchte. Doch offengebliebene Recherchen werden notiert. Und weil die Sammlung fortlaufend weiter inventarisiert wird, kommen auch immer mehr spannende Geschichten ans Licht.

 

Die Sammlung steht allen Interessierten offen. Scans und Reproduktionen von Text- und Bildmaterial stellen wir gegen eine faire Aufwandentschädigung gerne zur Verfügung. Ausleihe sind nur im Rahmen eines musealen Leihverkehrs möglich. Nach Vereinbarung können die gewünschten Dokumente vor Ort eingesehen werden.

Bei Fragen und für Termine schreiben Sie uns eine E-Mail an: archiv@fram-einsiedeln.ch

 

* Englisch serendipity, Deutsch Serendipität, laut Duden: (Prinzip der) Zufälligkeit einer ursprünglich nicht angestrebten, aber bedeutenden Entdeckung; auch die zufällige Entdeckung selbst.