22. April 2021
Backstage: Arbeiten im Museum

Evelyne Marty

Im Juni 2020 durfte ich im Museum Fram eine Stelle als wissenschaftliche Projekt-Mitarbeiterin antreten. Meine Aufgabe besteht darin, einen Teil des Bildarchivs des Benziger Verlags zu inventarisieren.*

Das Material war zumeist bereits in Archivschachteln fachgerecht gelagert und vorsortiert; viele Schachteln wurden jedoch seit ihrer Ankunft im Archiv des Museums Fram vor über zehn Jahren nicht mehr geöffnet und bargen spannende Überraschungen. In ihnen verstecken sich unglaublich viele hochwertige Druckerzeugnisse des Einsiedler Verlags aus der Zeit zwischen etwa 1870 und 1920.

Mehrere Tausend Bilder

Zur Einordnung des Umfangs: Mich erwarteten nicht weniger als 183 Archivschachteln mit jeweils bis zu zehn Mappen (oder sogenannten «Farbheften») zu einem oder mehreren Bildmotiven, die wiederum mehrere Originale und Drucke in verschiedenen Stufen der Produktion bis zur finalen Version enthalten. Insgesamt handelt es sich also um mehrere Tausend Bilder, die es zu scannen und zu inventarisieren gilt.

Meist ist das Endprodukt in den einzelnen Mappen eine Chromolithografie. Die Firma Benziger übernahm die Technik der Chromolithografie, die es erstmals ermöglichte, farbige Bilder industriell und in grossen Auflagen herzustellen um 1870. In der Schweiz war sie die erste Druckerei, die mit lithografischen Schnellpressen arbeitete.

Nackter Engel über Maria

Ich war ganz überrascht, wie akribisch der Benziger Verlag sein Bildarchiv führte. Schön sortiert findet man die einzelnen Arbeitsschritte und Variationen eines einzelnen Bildmotivs: Bleistiftzeichnungen, Stahlstiche, Aquarelle und Collagen, Lichtdrucke, Klatsche und ein- und mehrfarbige Lithografien (siehe Galerie Beispiel 1). Selbst Probedrucke mit den Notizen zu gewünschten Korrekturen wurden aufbewahrt. Auf einer ersten Version des Bildes «La Madre Santisima de la Luz», das für den lateinamerikanischen Markt produziert wurde, sehen wir über einem schwebenden Engel die feine Bleistift-Notiz «verboten» – Man kann hierzu die Vermutung anstellen, dass der sichtbare Po des Engels vielleicht zu freizügig war und man daher eine zweite Version anfertigte (siehe Galerie Beispiel 2).

Transkribus: Handschriften lesen leicht gemacht

Immer wieder finden sich auch interessante Korrespondenzen mit Künstlern. Da mir die Handschriften des 19. Jahrhunderts zu Beginn nicht geläufig waren, probierte ich ein neues Tool aus: Es heisst Transkribus, erkennt alte Handschriften automatisch und setzt sie direkt in digitale Texte um. Am Beispiel eines Briefs des Einsiedler Mönchs und Kunsthistorikers Albert Kuhn, der mit Benziger eng zusammenarbeitete, sieht man, wie gut das Programm Texte bereits beim ersten Versuch transkribiert (siehe Galerie Beispiele 3 und 4). So kann man ohne grosse Entzifferungs-Arbeit schnell lesen, was Albert Kuhn an den Bildern, die ihm zur Beurteilung geschickt wurden, auszusetzen hatte…

Motive: Blumenkränze neben Fegefeuer und Weinetiketten

Inhaltlich finden sich in den Farbheften neben den typischen Andachtsbildern, Blumenkränzen und Sinnsprüchen auch ungewöhnliche, seltene Motive: Sie zeigen das Fegefeuer, wilde Tiere, feurige Monster oder brennende Schwerter – das inhaltliche Spektrum des Benziger Verlags war weit grösser, als man auf den ersten Blick erwarten würde! (siehe Galerie Beispiele 2 sowie 5–10) Neben religiösen Motiven gibt es immer wieder auch ganz profane Bilder zu entdecken: Entwürfe zu Wappen, zu einer Weinetikette oder eine aufwändig gestaltete Einladungskarte zu einer Hochzeit (siehe Galerie Beispiele 11–12).

Die tollen Motive und die Qualität der angefertigten Zeichnungen beeindrucken mich immer wieder aufs Neue. Ich freue mich schon auf weitere Entdeckungen!

 

Evelyne Marty aus Einsiedeln ist Masterstudentin der Ägyptologie und Archäologie an der Universität Basel und seit 2020 wissenschaftliche Projekt-Mitarbeiterin im Museum Fram.

 * Die Inventarisierungsarbeiten finden im Projekt «Bildarchiv Benziger+» (2020–2021) statt, in dessen Rahmen unter anderem ein Teil des Bildarchivs digitalisiert wird und die bestehenden Sammlungs-Kataloge in der webbasierte Software Artplus zusammengeführt und im Frühling 2021 online publiziert werden. Das Projekt wird vom Lotteriefonds des Kantons Schwyz mit 80 000 Franken unterstützt.