13. Januar 2021
Vom Haus zum Tell ins Museum Fram
Zum Tod des Sammlers Karl Hensler

Es gibt kaum etwas, das der Einsiedler Drogist Karl Hensler-Kälin, verstorben am 8. Januar 2021, nicht sammelte. Was sein Vater Karl Hensler-Ochsner (1887-1975) begonnen hatte, führte er ein Leben lang weiter. Seit 2007 befindet sich ein grosser Teil dieses Sammelguts im Museum Fram. Es ist eine Fundgrube von historischen Objekten und schriftlichen Zeugnissen des gesellschaftlichen und religiösen Lebens im Wallfahrtsort Einsiedeln.

Neben Stichen, Lithografien, Liederbüchern, Notenblättern oder Ansichtskarten umfasst die Sammlung «Einsiedlensia» sämtliche Ausgaben des Einsiedler Anzeigers von 1863 bis 2006, dann Zeitschriften und Jahresberichte, Behördenverzeichnisse und Grundbuchpläne. Vereinsschriften und Vereinsfotos erinnern an Organisationen, die es heute noch gibt, oder solche, die wir nicht einmal mehr vom Hörensagen her kennen. Die Pfadi gehört zur ersten Kategorie, der katholische Jünglingsverein zur zweiten.

Die Akten zur «Wädensweil-Einsiedeln-Bahn», die ihren Betrieb 1877 aufnahm, und die Schriften zum Etzelwerk dokumentieren den technischen Fortschritt. Aus dem Jahr 1873 stammt das Buch «Über die rationelle Benutzung der Wasserkräfte vermittelst eines neuen Apparates zur Transmission derselben». Erst gut 60 Jahre später lieferte der Sihlsee zum ersten Mal Strom.

Das Dorfleben wird in der Sammlung von Karl Hensler etwa mit Trachten und Uniformen illustriert, ferner mit einer Unzahl an Plakaten – von den Maskenbällen an der Fasnacht bis zu den Konzerten im Fismo. Einsiedler Persönlichkeiten und Mönche aus dem Kloster sind mit ihren Dissertationen vertreten, P. Rupert Ruhstaller zum Beispiel mit seinen «Methodologischen Untersuchungen über den Bau des griechischen Satzes», die er erst 1967 im Alter von 50 Jahren einreichte.

Zeugen des klösterlichen und kirchlichen Lebens sind in der Sammlung prominent vertreten. Ab 1905 erschien in der Verlagsanstalt Waldstatt das «Pilgerbüchlein. Wegweiser und Begleiter der Pilger nach Maria Einsiedeln.» Drucke aus der Klosterdruckerei gehen bis ins Jahr 1664 zurück. Wesentlich jünger sind die sogenannten Klosterarbeiten mit Reliquien, wie wir sie in unserer Ausstellung «Globale Lokalgeschichten» (2018/2019) zeigen konnten. In der Sammlung von Karl Hensler befindet sich eine reiche Auswahl an Devotionalien, darunter allein 250 Rosenkränze. Da nehmen sich die «2 Dachziegel des Klosterdachs, datiert 1728» zahlenmässig geradezu bescheiden aus.

Wie kam der Tellen-Kari, wie wir ihn nannten, zu kostbaren Gegenständen und seltenen Schriftstücken? Ein Inventar, in dem «Modells zur Fabrikation von Einsiedler Schafböcken im Gebrauch bei Hugo Kürzi-Knobel» erfasst sind, gibt eine mögliche Antwort: «Durch Tausch eines älteren Kinderautos gegen obige Modells gingen die Modells an Karl Hensler, zum Tell, über.» Natürlich war Kari auch auf Sammlerbörsen anzutreffen. Und wenn in Einsiedeln Häuser abgebrochen und Geschäfte oder Gastbetriebe aufgegeben oder umgebaut wurden, war er zur Stelle und rettete, was zu retten war. Etwa die historischen Schilder der Wirtshäuser «Storchen» oder «Zur Glocke».

All die Gegenstände und Dokumente seiner Sammlung wären nicht halb so interessant, wenn wir nichts über sie wüssten. Kari hat sie in langen Listen und auf ausführlichen Zetteln fein säuberlich dokumentiert, wobei er sich dabei auf sein immenses Wissen über die Geschichte, Kultur und Mentalität der von ihm geliebten Region Einsiedeln verlassen konnte. Noch bis vor Kurzem brachte er neue Trouvaillen persönlich im Museum Fram vorbei und lieferte als guter Erzähler die Anekdoten dazu gleich mit.