22. April 2020
Klischeehaft illustriert

Sie veranschaulichen, erläutern und heben Inhalte hervor. Sie helfen, Zusammenhänge zu verstehen, oder dienen schlicht der Unterhaltung: Illustrationen funktionieren in Verbindung mit geschriebenen Worten oder für sich selbst.

Doch was uns heute selbstverständlich scheint, dass wir nämlich überall Illustrationen antreffen, hat sich erst Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt. In den 1830er Jahren entstanden in vielen europäischen Ländern mit den sogenannten «Pfennig-Magazinen» Wochen- und Unterhaltungsblätter. Deren Erfolg war enorm.

Auch der Benziger Verlag aus Einsiedeln gab bebilderte, für die Zeit sehr moderne Blätter heraus. Die Zeitschriften «Einsiedler Kalender» und «Der Pilger», die bei Benziger neben Büchern und Bildern ab den 1840er Jahren erschienen, waren typische Produkte der Zeit. Die Familienzeitschrift «Alte und Neue Welt» (1866-1945), die als bewusste katholische Publikation erschien, warb im Untertitel mit der Visualisierung ihrer Wissensangebote und hiess «Illustriertes katholisches Familienblatt». Die Illustrationen waren dabei ein wichtiger Teil des Programmes.

Die Verbreitung der Illustration in diesen Zeitschriften ist auch einer Weiterentwicklung der Druckverfahren zu verdanken, welche die Anzahl Arbeitsschritte verringerte und half, Zeit und Kosten zu sparen. Ursprünglich wurden jeweils der Text in einem Hoch-, die Illustrationen jedoch in einem Tiefdruckverfahren (z.B. Kupferstich) gedruckt. Beim Hochdruckverfahren stehen die zu druckenden Bereiche vor. Beim Tiefdruckverfahren ist es umgekehrt: die zu druckenden Bereiche werden beispielsweise in eine Kupferplatte eingeritzt.

Das änderte sich mit der Erfindung der Holzstich-Technik, einer Weiterentwicklung des Holzschnitts. Der Holzstich, bei dem eine Hartholzplatte eingraviert wird, erlaubte haarfeine Zeichnungen ähnlich dem Kupferstich. Im Gegensatz zu Letzterem handelte es sich aber um ein Hochdruckverfahren: Weisse Bereiche entfernt man, die zu druckenden Linien lässt man stehen. Dieser Umstand erlaubte es nun, die Illustrationen und den Text in einem Arbeitsgang zu drucken.

In der Praxis wurden allerdings meist nicht die Holzstiche selber als Druckstock genutzt, sondern sogenannte Klischees. Der Fachbegriff Klischee geht auf das französische Cliché zurück und steht für die Erstellung immer gleicher Kopien einer Vorlage. So sind Klischees in Schriftmetall (meistens Zink oder Kupfer) gegossene Nachbildungen der Original-Holzstich-Druckplatte und – ein grosser Vorteil – schnellpressentauglich.

Der Benziger Verlag archivierte seine Illustrationen in grossen Sammelbänden. Gedruckt, ausgeschnitten und nebeneinander aufgeklebt veranschaulichen sie eine grosse Bandbreite von Themen. Darstellungen aus dem Familienleben stehen neben allegorischen Bildern oder Motiven aus der Länder- und Völkerkunde, Landschaften, Szenen aus dem katholischen Alltag, Städteansichten und Erfindungen. Bischöfe gesellen sich zu Indianern, unerzogene Kinder zu modernen Dampfmaschinen, vermenschlichte Tiere zu Heiligen.

Die Zeichner des Verlages waren stets auf der Suche nach neuen, ansprechenden Bildern. Illustrationen aus anderen, auch internationalen Zeitschriften dienten ihnen als Vorlage. Jedes Bild hatte eine Nummer, anhand derer die Mitarbeiter rasch die entsprechende Vorlage für den Druck heraussuchen konnten.

Doch die ganzen Motive dienten nicht nur dem Eigenbedarf. Verlage wie Benziger handelten auch untereinander mit solchen Druckvorlagen. Im «Clichés-Katalog» aus dem Jahr 1879 sind die Bezugsbedingungen aufgelistet: Für 15 Rappen pro Quadratzentimeter stand einem jedes erdenkliche Motiv aus der fantasievollen Bilderwelt des Einsiedler Verlags zur Verfügung.

Was hätten Sie ausgewählt?

 

Zwischen Ende 2019 und Anfang 2020 hat das Museum Fram sechs grosse Sammelbände mit Holzstichillustrationen und einen Klischee-Katalog digitalisieren lassen. Das Ergebnis lässt sich unter den folgenden Links herunterladen oder hier in der Galerie durchstöbern. Viel Vergnügen!

 

Clichés-Katalog (Haa.1.89)

Original-Holzschnitte weltlich für Alte und Neue Welt, etc. (Haa.7.1)

Reproductionen nach Holzschnitten Alte und Neue Welt (Haa.7.2)

Reproductionen nach Holzschnitten (Haa.7.3)

Holzschnitte XI 23626 – 23738 (Haa.7.4)

Holzschnitte VII 14268 – 16549 (Haa.7.5)

Reproductionen nach Holzschnitten Phönix (Haa.7.6)