17. April 2023
Maria Dutli-Rutishauser – Mutter, Ehefrau und katholische Bestsellerautorin
Gastbeitrag von Bruder Gerold Zenoni OSB

«Gesamtauflage ihrer Werke über 120’000 Exemplare.» Mit dieser Affiche warb der Einsiedler Benziger Verlag unter dem Titel «Die Heimat-Romane von Maria Dutli-Rutishauser» für seine Bestseller-Autorin in einer Broschüre, auf der neben Einsiedeln auch Zürich und Köln als Filialen aufgeführt waren. Laut Schriftsteller Pirmin Meier ist diese hohe Zahl auf das damals noch einigermassen intakte katholische Milieu zurückzuführen. Wenngleich Maria Dutli-Rutishauser – wie einst Heinrich Federer – auch ein gutes Echo im Berner «Bund» zu verzeichnen hatte. Der nicht zu übersehende Erfolg dieser dezidiert katholischen Autorin oder ihres männlichen Kollegen F.H. Achermann (Walter Verlag, Olten) zwang das Feuilleton dazu, vom Satz «Catholica non leguntur» – also Katholisches liest man nicht -, vorübergehend abzuweichen. Der damalige Feuilletonredaktor Arnold H. Schwengeler doktorierte als Katholik über Federer, nachdem die erste Auflage seiner Dissertation mit der Anmerkung, dass Federer homosexuell gewesen sei, aus Zeitgeistgründen hatte eingestampft werden müssen!

Katholische Sozialisation

Geboren im Jahr 1903 als Tochter von Katharina Forster und Ferdinand Rutishauser wuchs Maria im strengen Elternhaus in Obersommeri (TG) auf. Ihre Liebe zur italienischen Sprache führte sie nach Rom und Locarno. Dort lernte sie ihren Mann, Josef Dutli, kennen. Die selbstbewusste und starke, christlich geprägte und fürsorgliche Mutter und Ehefrau vertrat die Ansicht, dass die Aufgabe der Frau in der umsichtigen Führung des Haushaltes und in der Erziehung der Kinder bestehe. Sie vertraute darauf, dass nicht der Kampf um das Recht der Frau wichtig sei, sondern die Ausübung der fraulichen Fähigkeiten und deren Stärken. So konnte sie nie und von niemandem als «Kämpferin» für das Frauenstimmrecht gewonnen werden, denn auch da vertrat sie die Meinung, dass die Themen von Abstimmungen zu Hause ausdiskutiert werden und dass die Familie mit einer Stimme vom Mann zu vertreten sei. Wenn nicht sei die Stimmabgabe sinnlos, da sie sich mit einmal Ja und einmal Nein ohnehin wieder aufheben, so ihre Schlussfolgerung.

Keine Emanze

«Sie hat sich für die Bildung der Frauen eingesetzt. Aber sie war nie eine Emanze, sie war fürsorglich. Ihre Familie und das Heim waren ihr immer sehr wichtig», so eine Zeitzeugin. Maria Dutli-Rutishauser lebte im typisch weiblichen Spannungsfeld von Familie und Karriere. Während sie als Schriftstellerin, Rednerin und Kolumnistin höchst aktiv war, gebar und erzog sie sechs Kinder. Möglich war das durch die Hilfe von Dienstmädchen und Ehemann Josef Dutli, der eigentlich ihr Manager war. Während des Zweiten Weltkriegs hielt sie im Auftrag von «Heer und Haus», einer der Armee unterstellten Organisation, und der schweizerischen Frauenverbände Vorträge zur geistigen Landesverteidigung. Zudem war sie mit solchen Themen im Radio zu hören. Sie war weiter «Presseführerin» – sprich: Zensorin – des «Boten vom Untersee». Da habe es aber nicht viel zu zensieren gegeben, sagte sie 1989 im Lokalfernsehen Diessenhofen – der «Bote» sei «eine harmlose Zeitung» gewesen.

Kolumnistin von «Meyers Modeblatt»

Maria Dutli-Rutishauser war auch Kolumnistin von «Meyers Modeblatt». Sie schrieb während fünf Jahrzehnten, bis 1992, in der Zeitschrift und war so eine einflussreiche Journalistin und in zahlreichen Schweizer Haushalten präsent. Ihre Themen hat sie aus dem Leben gegriffen, ihre Erfahrung und ihren Mutterwitz an eine breite Leserschaft weitergegeben – durchaus nicht moralinsauer, sondern mit einem gewissen Schalk. Kopf und Herz hielten sich bei ihr wunderbar die Waage.

Sie war intelligent und durchaus auch selbstbewusst gewesen. Als der Journalist Niklaus Meienberg im Jahr 1985 unter ihrem Namen – er dachte, sie lebe nicht mehr – eine Polemik gegen Fürst Franz Josef zu Liechtenstein, Vater von Fürst Hans-Adam, publizierte, war Maria Dutli-Rutishauser stocksauer, aber sie verzichtete auf einen Rechtsstreit. Und stets sei sie kerzengerade gesessen. Von Hand schrieb sie, nachts vorwiegend, und ihr Gatte tippte ihre Texte auf einer uralten Schreibmaschine ins Reine.

«Hüter des Vaterlandes»

Ihr wichtigster Roman «Hüter des Vaterlandes» (Benziger Verlag) erschien 1991 in der 14. Auflage. 41. bis 45. Tausend! Selbst die französische Übersetzung brachte es in der 4. Auflage auf über 20 000 Exemplare. Dieses Werk liegt auch in Blindenschrift vor. Die Bücher von Maria Dutli-Rutishauser wurden nicht nur ins Italienische, Französische, Englische, Holländische oder Flämische übersetzt, sondern oft als Fortsetzungsromane in Zeitungen abgedruckt. Ihr allererster Roman «Der schwarze Tod» (1930) war beim damals tonangebenden Verlag Huber in Frauenfeld erschienen. Der unbearbeitete Nachlass wird im Thurgauer Staatsarchiv aufbewahrt. Darunter befindet sich eine Unmenge von Fanpost. Die Gesamtauflage der verkauften Werke dürfte sich inzwischen auf über eine Viertelmillion Exemplare belaufen.

«Ein glücklicher Mensch»

Die meisten der Bücher erschienen in Einsiedler Verlagen (Benziger und Waldstatt). «Die Dichterin Maria Dutli-Rutishauser nimmt als Darstellerin heimatlicher Gestalten und Schicksale eine besondere Stellung in der Volksliteratur ein. Ihr echt menschliches Empfinden, ihre gemütvolle Auffassung des Lebens, die Farbigkeit und Spannung, die vor allem ihre Romane aus der schweizerischen Bergwelt auszeichnen, haben ihren Büchern einen grossen und treuen Leserkreis geschaffen.» So liest man auf der Benziger-Verlagswerbung in einem Faltblatt, das für sieben Bücher der Autorin wirbt.

Im Benziger Verlag erschien 1951 der Erzählband «Ein glücklicher Mensch». Die am Schluss des Buches abgedruckte titelgebende Geschichte führt ins Waisenhaus nach Einsiedeln. Eine literarische Aufarbeitung der gewiss nicht einfachen Situation in einer derartigen Einrichtung zur damaligen Zeit wird hier von Maria Dutli-Rutishauser in überzeugender Manier geleistet. Wer wollte nach der Lektüre je das von Waisenhausbewohner Stanislaus an der Kilbi erworbene rote Windspiel mit seinen sich drehenden Rädchen vergessen?

 

Mutter sein

«Mutter sein», heisst höchste Freud’ empfinden
Heisst, hier auf Erden schon das Glück des Himmels finden,
Heisst, in blauer Kinderaugen hellem Schein
Froh und wunschlos glücklich sein.

«Mutter sein» umfasst die tiefsten Leiden,
Schliesst in sich Entsagen, strenges Meiden,
«Mutter sein» heisst mit dem eignen Leben
Seinen Kindern schöne Tage geben.

Maria Dutli-Rutishauser

 

Bruder Gerold Zenoni OSB, 1958 in Altdorf (UR) geboren, trat nach einer Lehre als Typograf 1980 ins Benedektinerkloster
Einsiedeln ein. Er arbeitet in verschiedenen Bereichen des Klosters und er ist als Sakristan der Gnadenkapelle zuständig für den Kleiderwechsel
am Gnadenbild der Einsiedler Madonna. Zenoni schreibt zudem für die Klosterzeitschrift «Salve» und hat auch Bücher verfasst. 2009 erhielt er den Förderpreis der SRG idée suisse Zentralschweiz.

 

Dieser Blog-Text ist eine gekürzte Version eines Artikels aus «Salve – Zeitschrift der benediktinischen Gemeinschaften Einsiedeln und Fahr», Nr. 2 – 2023.