Fram-Blog
7. Oktober 2024

Heute, da der Handel mit Wertschriften wie Aktien und Obligationen rein digital über Banken abgewickelt wird, gelten die gedruckten Wertpapiere vergangener Jahrhunderte im Börsenhandel als wertlos, als «Nonvaleurs». Noch bis Ende des 20. Jahrhunderts wurden sie in Papierform ausgestellt und von Hand zu Hand weitergegeben. Die Auszahlung der Dividende erfolgte durch Ausschneiden der Coupons aus dem Papierbogen. Heute sind historische Wertpapiere vor allem wegen ihrer künstlerischen Gestaltung begehrte Sammlerstücke und Schmuckobjekte. Einige der ästhetisch anspruchsvollsten Aktienzertifikate entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Dass der Benziger Verlag auch historische Wertpapiere gedruckt hat, ist vielleicht weniger bekannt. Leider befinden sich keine gedruckten Exemplare im Archiv des Museums Fram. Erhalten sind jedoch einige Entwurfszeichnungen, die zur Herstellung von Wertpapieren dienten und als Druckvorlagen an Lithografen weitergegeben wurden. Die bis ins kleinste Detail gestalteten Blätter waren nicht nur reine Finanzdokumente, sondern auch kunstvolle Werbeträger, die nicht zuletzt das Vertrauen in die Handelsgesellschaften stärken sollten.
Weitere historische Wertpapiere, die künstlerisch gestaltet wurden, sind derzeit in der kürzlich eröffneten Sonderausstellung «kunst.macht.geld» im Schweizer Finanzmuseum in Zürich zu sehen.
Kurz, weniger förmlich, günstiger und schneller als der Brief. Das war von Anfang an das Erfolgsrezept der Postkarte. Sie wird in diesem Jahr 150 Jahre alt. 1869 wurde sie als «Correspondenzkarte» offiziell in Österreich eingeführt. Der Erfolg des neuen Mediums war riesig. Bald entdeckte auch Einsiedeln ihr Potenzial.
Postkarten waren billiger als ein Brief oder ein Telegramm, und da die Post mehrmals täglich zugestellt wurde, war es sogar möglich, per Postkarte einen Termin am gleichen Tag zu vereinbaren oder kurze Geschäftsmitteilungen zu verschicken – ähnlich den heutigen SMS, E-Mails oder WhatsApp-Nachrichten. Dank der Erfindung von modernen und preisgünstigen Mehrfarben-Drucktechniken gab es ab 1890 Ansichtskarten, die mit Illustrationen und Fotomotiven verziert waren. Mittels der Chromolithografie konnte man nun auch farbige Postkarten herstellen. Der Lichtdruck ermöglichte die Herstellung von Schwarz-Weiss-Fotopostkarten, die mit verschiedenen komplizierten Verfahren koloriert wurden.
Auch in Einsiedeln nutzte man mit dem Aufkommen des Tourismus das neue Kommunikationsformat und druckte massenweise Ansichtskarten. Kloster- und Dorfansichten, Strassen und Plätze, Landschaften mit und ohne Kapellen sowie religiöse Feste waren prädestinierte Sujets. Hotels, Geschäfte und Gasthöfe setzten nun eigene Postkarten als Werbeträger ein. Stolz präsentierte man das neue, antikisierend gestaltete Rathaus und das neue Bahnhofgebäude. Nicht nur einheimische Verlage wie Benziger, sondern auch solche aus Zürich oder Luzern produzierten Ansichtskarten mit Einsiedler Motiven. Eine Mode der Zeit waren sogenannte «Mondscheinkarten», die man auf dunklem Karton druckte.
Um spezifische Zielgruppen anzusprechen, setzte man gezielt künstlerische Mittel ein. Zum Beispiel wurden mehrere Bildebenen kompiliert und mit Staffagefiguren im Vordergrund ergänzt. Mit Bildern von Kindern richtete man sich direkt an Familien. Seminaristen standen für das idyllische Studentenleben. Schneelandschaften und Skifahrer wandten sich an Wintersportler.
Die Jahrzehnte um 1900 waren die Blütezeit der Ansichtskarte. In der Schweiz und überall in Europa wurde sie millionenfach verschickt. Jeder konnte seine Erlebnisse nun schnell Freunden und der Familie mitteilen oder eine Postkarte als Andenken an den Ausflug in die Berge, in die Stadt oder an den Wallfahrtsort mit nach Hause nehmen. Sehr populär war es, Postkartenmotive in Alben einzuordnen und sie untereinander zu tauschen. Dies in einer Zeit, in der die private Fotografie noch nicht verbreitet war. Es waren die Ansichtskarten, welche die allgemeine Bildvorstellung einer Stadt oder eines Dorfes prägten.
«Wohl der denkwürdigste Streik, der seit Bestehen der schweiz. Arbeiterorganisation geführt wurde», meinte die Helvetische Typographia zum Streik beim Benziger Verlag, der zwischen dem 27. Januar und 27. April 1900 in Einsiedeln stattfand. Ausgelöst wurden die Unruhen aber bereits im September des Vorjahres, als Charles Benziger-Gottfried, der technische Direktor, eine Lohnreduktion von 20-25% ankündigte. Die auf den Platz gerufene Gewerkschaft, die Helvetische Typographia, engagierte sich für die Angestellten, organisierte und unterstützte diese. Bis dahin hatte die Verlegerfamilie Benziger jeglichen Arbeiterbewegungen und -organisationen den Garaus gemacht. Man war aber nicht nur gewillt, solche zu unterbinden, sondern weigerte sich überhaupt, mit ihnen direkt zu verhandeln.
Denkwürdig waren Lohnreduktionsaffäre und Streik in Einsiedeln bei der Firma Benziger aufgrund der besonderen Affiche: Gewerkschaft und Arbeiterbewegung in katholischen Stammlanden, in einem Wallfahrtsort und noch bei den «Typographen des hl. Stuhls», so der vom Papst verliehene Ehrentitel der Firma.
Klar zu Tage trat in der Auseinandersetzung, dass die um 1900 kontrovers diskutierte Frage, ob es eine «Neutralität der Gewerkschaften» gebe oder nicht, zu verneinen war. Einem katholischen Männer- und Arbeiterverein – das zeigte sich in Einsiedeln – fehlten aus christlicher Überzeugung nicht bloss die Kampfmittel, sondern auch die Kampfbereitschaft; und ein Arbeitskampf, wenn er sich denn als unumgänglich und notwendig erwies, war aus damaliger Sicht per se «socialdemokratisch» und verpönt.
Fast logische Folge dieses «Musterstreiks» war der für die seinerzeitigen Verhältnisse unglaubliche Medien- und Propagandakrieg, der hauptsächlich zwischen der «sozialdemokratischen Presse» und dem Einsiedler Anzeiger sowie der Firma Benziger stattfand und schweizweit mit Vehemenz ausgetragen wurde. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung erschien in der Satirezeitschrift «Der Neue Postillon» eine Darstellung, die den Konflikt als «moderne Gesslergeschichte» zeigte.
Der Streik bei der Firma Benziger umfasste nur einen Teil der Belegschaft. Es war keine totale Solidarität aller Arbeiter der Firma Benziger vorhanden. Von insgesamt etwa 500 Arbeitern streikte lediglich ein Drittel.
Vermittlungsbemühungen des Schwyzer Regierungsrates, des Einsiedler Abtes oder auch des Bischofs von Chur führten zu keinem Erfolg. Eher ernüchternd war, dass die Einigung letztlich auch ohne Beteiligung der Gewerkschaften zustande kam, nämlich – mit Hilfestellung des Bezirksrates von Einsiedeln – durch eine Zwölfer-Delegation der Belegschaft. Dennoch ist die Rolle der Gewerkschaften im Ganzen als zentral und wichtig einzustufen, weil sie den Streik durch die finanzielle und ideelle Unterstützung überhaupt erst ermöglicht hatten. Sachlich betrachtet gingen die Arbeiter gestärkt aus der Auseinandersetzung hervor und hatten sich die Arbeitsbedingungen für die meisten von ihnen – mit Ausnahme wohl am ehesten der Hilfsarbeiter – merklich verbessert.
Die Helvetische Typographia meinte abschliessend: «Eines ist sicher, dass in der finstern Waldstatt ein Samenkorn ausgestreut wurde, das nie mehr ganz zu ersticken sein wird.»
Literatur:
Daniel Meienberg, Der Streik bei der Verlagsanstalt Benziger in Einsiedeln im Jahr 1900, Lizentiatsarbeit Zürich 2009.
Heinz Nauer, Fromme Industrie, Der Benziger Verlag Einsiedeln 1750-1970, Baden 2017.
Patrick Schönbächler, Der Buchdrucker-Streik bei Benziger, oder die Geschichte einer Arbeiterbewegung bei den «Typographen des hl. Stuhls» im katholischen Wallfahrtsort Einsiedeln, in: Mitteilungen des Historischen Vereins des Kantons Schwyz 110 (2018), S. 231ff.
Patrick Schönbächler, 50, ist Alumnus der Stiftsschule Einsiedeln, promovierter Jurist, und ein Kenner der Einsiedler Lokalgeschichte. Sein Privatarchiv umfasst über 30‘000 Ansichten, Drucke, Fotografien aus Einsiedeln für die Zeit von 1500 bis heute. Weitere Informationen finden Sie hier: www.hejbsch.ch
Gall Morel: Geboren am 24. März 1803 als Benedikt Morel in der Ostschweiz. 1820 Eintritt ins Kloster Einsiedeln. Am 6. Dezember 1872 an einer Lungenentzündung gestorben. Und dazwischen? Das Leben eines Mönchs eignet sich schlecht für biografisches Erzählen. Auch die Leben von Historikern und Philologen nicht. Bei Gall Morel kommen all diese Eigenschaften zusammen.
Gall Morel: Benediktinermönch und Privatgelehrter, Seelsorger und Dichter, Philologe und Historiker. Das Nidwaldner Volksblatt schrieb in einem Nachruf im genretypischen Pathos: «Sein Name wird über die Stiftsglocken von Einsiedeln hinaustönen über unsere Schweizerberge, hinaus in die Weltstadt Paris, hinein ins Welschland bis vor Sanct Peters ewigem Dom in Rom, mit den Strahlen der Abendsonne hinüberziehen über das Weltmeer, bis ins ferne Amerika.» Im Professbuch des Klosters heisst es schlicht, Gall Morel sei der «universalste Geist, den das Stift besessen». Was wir also wissen: Gall Morel war irgendwie wichtig. Was wir nicht wissen: Weshalb eigentlich genau. Denn die Nachwelt hat sich in den fast 150 Jahren seit seinem Tod nur wenig mit ihm beschäftigt.
Ausser dem Amt des Abtes hatte Gall Morel eigentlich jedes Klosteramt inne: Er war 37 Jahre lang Klosterbibliothekar, ein «Bücherjäger», wie er selbst sagte. Er war 46 Jahre lang Lehrer für Philosophie und Rhetorik an der Schule, 36 Jahre lang Präfekt und dann Rektor der Schule, ein «Schulmann», wie man damals sagte. Er hat Lehr- und Schulbücher verfasst, war mehrere Jahre lang Erziehungsrat und Schulinspektor im Kanton Schwyz und Mitautor des Schwyzer Schulgesetzes von 1848. Und: Die Stiftsschule machte unter seiner Leitung den Schritt von einer bescheidenen Rekrutierungsanstalt für Nachwuchsmönche zu einer offenen humanistischen Bildungsinstitution.
Gall Morel: ein musischer Mensch und ein vorzüglicher Geigenspieler. Er hat den Grundstein gelegt zur bedeutenden Musikbibliothek des Klosters, war einige Jahre lang Kapellmeister, hat mit Schülern im Kloster Opern aufgeführt. Religiöse Lieder aus seiner Feder stehen heute noch im Kirchengesangbuch.
Gall Morel: Volksschriftsteller, religiöser Lyriker und Verfasser von manchem geselligen Trinkspruch. Seine Gedichte belebten Kalender, Zeitschriften, Andachtsbilder und zieren heute noch Weinetiketten. Er verfasste pädagogische und lokalhistorische Theaterstücke, darunter «Dr Franzos im Ybrig», der später von Meinrad Lienert und noch später von Thomas Hürlimann adaptiert wurde.
Er machte, wie man aus der Lektüre seiner Tagebücher erfährt, gerne lange Spaziergänge ins «Tannzapfenparadies» Einsiedeln, las unterwegs Shakespeare, Horaz, Goethe und notierte sich Ideen für neue Gedichte. Er unternahm lange Reisen nach Mailand, Genua, Rom, Subiaco, Assisi, Florenz, München, Wien, Paris und Nürnberg. Dort besuchte er die grossen Kunstsammlungen, Kathedralen, Bibliotheken. Diese Reisen waren sein persönliches «Jagdvergnügen», auf denen er Manuskripte, Bücher und Kunstwerke erlegte.
Gall Morel: Klosterarchivar, Philologe und Wissenschaftler. Je trockener die Materie, desto mehr Freude machte sie ihm. Er sammelte Bücher und Manuskripte, Käfer, Schmetterlinge und Münzen, Gemälde und Kupferstiche, verfasste archivarische Listen und Regesten, führte Zettelkästen, legte lange Register an und schaffte so die Grundlage für wissenschaftliches Arbeiten im Kloster.
Vielleicht am wichtigsten: Gall Morel war ein Networker. 1840 war er Mitgründer der schweizerischen geschichtsforschenden Gesellschaft (heute Schweizerische Gesellschaft für Geschichte), wenig später Gründungsmitglied des Historischen Vereins der fünf Orte (heute Historischer Verein Zentralschweiz), bald Ehrenmitglied des Vereins für vaterländische Altertümer in Zürich und bald Mitglied in weiteren gelehrten Gesellschaften von Graubünden bis Genf und von Nürnberg bis Luzern. Wenn ein Mittelalterforscher in Nürnberg die Inschrift einer gotischen Kathedrale nicht entziffern konnte, dann schrieb er Gall Morel einen Brief. Wenn der berühmte Zürcher Archäologe Ferdinand Keller eine Arbeit über Siegel in der Schweiz abfasste, dann schrieb er Gall Morel einen Brief. Und wenn ein St. Galler Geograph wissen wollte, ob es im Kanton Schwyz eigentlich Bartgeier gebe, dann fragte er Gall Morel.
Auch wichtig: Gall Morel hatte Sinn für Ironie: Einer seiner Leitsprüche, so sein Biograf Pater Benno Kühne, war: «Fuge ceu pestem, ten polypragmosyne» – «Meide wie die Pest die Vieltuerei».
Der Historiker, der sich im Jahr 2018 vertieft und ernsthaft mit der Biografie Gall Morels auseinandersetzen wollte (lohnen würde es sich zweifelsohne), würde sich indes kaum mit Anekdotischem begnügen und auch nicht mit der positivistischen Addierung seiner Ämter und Schriften. Er würde seine Tagebücher lesen, die im Klosterarchiv dutzendfach überliefert sind, seine umfangreiche Korrespondenz auswerten, und nach den konkreten Bedingungen seiner Wissenschaft und Schriftstellerei fragen. Mit wem stand er in Kontakt? Was für Gedanken und was für Objekte tauschte er mit seinen Korrespondenzpartnern? Und der Historiker würde wohl auch fragen, ob Gall Morels philologisch-wissenschaftliche Lebensleistung dem Hirn eines einzelnen genialen Universalgelehrten entsprang oder vielleicht doch eher das Produkt eines grösseren Kollektivs war.
P.S.: Eine Abteilung der Ausstellung Ein himmlisch Werk. Musik aus dem Kloster Einsiedeln (ab Mai 2019 im Museum Fram) wird Gall Morel gewidmet sein.
Literatur:
Benno Kühne, P. Gall Morel. Ein Mönchsleben aus dem XIX. Jahrhundert, Einsiedeln 1875 (Digitalisat online: reader.digitale-sammlungen.de).
Sebastian Brändli, Die «Antiquaren» in Einsiedeln. Gall Morel und seine Zürcher Freunde, in Äbte, Amtleute, Archivare. Zürich und das Kloster Einsiedeln, Zürich 2009, 100-124.
Anton Gössi, «Hätt ich doch nimmer gedacht, dass in Rom so Vieles zu finden!» Die Italienreisen des Einsiedler Paters Gall Morel, in Vedi Napoli e poi muori. Grand Tour der Mönche, hrsg. von der Stiftsbibliothek St. Gallen, St. Gallen 2014, 231-237.
Es sei ein «Meisterwerk», ist im Editorial der neuesten Ausgabe der geschichtswissenschaftlichen Zeitschrift «traverse» zu lesen. Die Rede ist vom Buch «Der Landesstreik 1918» des Aargauer Lehrers und Historikers Willi Gautschi (1920-2004), das 1968 im Einsiedler Benziger Verlag erschien. Zum 50. Jahrestag des Landesstreiks räumte Gautschi mit der These auf, dass es dem Oltener Aktionskomitee unter der Führung von Nationalrat Robert Grimm darum gegangen sei, ein Jahr nach der Russischen Revolution die Diktatur des Proletariats auch in der Schweiz auszurufen. In seiner umfangreichen Analyse kam er zum Schluss, «dass die Ereignisse vom November 1918 vorwiegend bewirkt wurden durch die wirtschaftliche Bedrängnis, in die breite Schichten des Schweizervolkes durch die Kriegsverhältnisse geraten waren». Der Autor profitierte bei seinen Nachforschungen davon, dass die gesetzlichen Sperrfristen für Archivbestände vom damaligen Bundesrat Hanspeter Tschudi kurz vor dem 50. Jahrestag aufgehoben wurden.
Gautschi beschäftigte sich mit dem Landesstreik und speziell mit dem Oltener Aktionskomitee bereits Mitte der 50er-Jahre in seiner Dissertation. Wohl deshalb fragte ihn Peter Keckeis, der Leiter des Benziger Verlags, ob er eine grössere Studie zum Thema verfassen würde. Dass diese dann in den ersten Monaten gleich in 5000 Exemplaren verkauft und das Buch dereinst als Standardwerk gelten würde, konnten Autor und Verleger nicht ahnen. Und auch nicht, dass die NZZ Ende Oktober 2018 «vom bis heute gültigen Befund des Historikers Willi Gautschi, wonach es sich beim Landesstreik um keine verhinderte Revolution gehandelt habe» schreiben würde.
Der Zürcher Chronos Verlag hat das Buch «Der Landesstreik 1918» sowie den Band mit Dokumenten, den Benziger 1971 herausgab, im Gedenkjahr 2018 neu aufgelegt.
Am 21. September 2018 ist im Alter von 90 Jahren der Schweizer Schriftsteller Herbert Meier gestorben. Seine frühen Arbeiten erschienen in verschiedenen Verlagen, bevor Benziger 1959 seinen ersten Roman publizierte und «Ende September» als «brillanten und unkonventionellen Versuch, das Problem der Liebe und Ehe zu erhellen» ankündigte. Zwischen 1963 und 1973 veröffentlichte der Autor fünf weitere Bücher im Benziger Verlag, nämlich die Romane «Verwandtschaften» und «Stiefelchen», den Gedichtband «Sequenzen», die «Anatomischen Geschichten» und das Fernsehstück «Skorpione».
Die Nachrufe in den Zeitungen betonten weniger seine Prosawerke, sondern vor allem seine Arbeiten für das Theater, sowohl die Übersetzungen – zum Beispiel Paul Claudels «Der seidene Schuh» – als auch die Stücke, die in den 70er Jahren entstanden: «Stauffer-Bern», «Dunant» oder «Bräker». Bereits vor seinem Roman-Debut bei Benziger schrieb er den Text zu einem Oratorium mit dem Titel «Dem unbekannten Gott». Das Werk mit der Musik von Albert Jenny wurde 1956 in Solothurn uraufgeführt. Gut zehn Jahre später verfasste er das Libretto zur Oper «Kaiser Jovian» von Rudolf Kelterborn. 1969 erschien im Zürcher Flamberg Verlag ein Band, der – mindestens im Titel – Emmanuel Macrons Bewegung «La République En Marche» vorwegnahm: «Der neue Mensch steht weder rechts noch links – er geht». Zur 700-Jahr-Feier der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1991 steuerte Herbert Meier das «Mythenspiel» bei, das als Freilichtaufführung in Schwyz kein durchschlagender Erfolg wurde. Von 1994 bis 1998 moderierte Meier im Schweizer Fernsehen die «Sternstunde Philosophie».
Der Kranich-Verlag in Zollikon, wo Herbert Meier wohnte, hat seine letzten Gedicht herausgegeben. Diese «Gedichte für Yvonne» sind seiner Frau gewidmet, die vor zwei Jahren verstorben ist:
Ich möchte meinen Todesschlaf
bald finden zu dir hin,
und dich umschliessen
zum Auferstehen mit dir
in der erhofften Zeit,
die nur dein Engel kennt.
Und dann beginnen, uns zu lieben,
wie ein junges, auferwecktes Paar.