Jetzt lachen sie uns wieder von allen Seiten an: die Wahlplakate. Doch wie gelingt es ihnen am besten, rasch die Aufmerksamkeit der Betrachter – auch der uninteressierten – auf sich zu ziehen? Wie hat sich das Plakat seit seinen Anfängen verändert? Und was hat das alles mit dem Benziger Verlag zu tun?
Die Geschichte des Plakats geht bis auf die Erfindung des Buch- und Bilderdrucks im 15. Jahrhundert zurück. Diese technische Revolution ermöglichte die Verbreitung von Flugblättern und Flugschriften. Das Plakat im heutigen Sinn erlebte mit der Industrialisierung und dem Tourismus ab dem späten 19. Jahrhundert seine Blütezeit – nicht zuletzt dank einer weiteren technischen Erfindung: Der Farblithografie. Diese ermöglichte es ab den 1870er-Jahren, kostengünstig auch grosse Formate und vor allem farbige Plakate zu drucken.
Auch der Benziger Verlag beherrschte diese Technik sehr bald. Die Einsiedler Firma druckte Werbeplakate mit den unterschiedlichsten Motiven: sei es für eine Tabak- & Cigarrenfabrik in Solothurn, für die Schweizerische Südostbahn, für Schützenfeste oder für das Dorf Einsiedeln als Tourismusdestination. Es dauerte nicht lange, bis sich Künstler auf dieses neue Format spezialisierten: Zwei Beispiele dafür sind der Einsiedler Meinrad Zehnder (1885-1941) und der Schwyzer Melchior Annen (1868-1954), die beide schweizweit für ihre Plakatkunst bekannt waren. Meinrad Zehnder war Zeichenlehrer an der Klosterschule und an der damals bestehenden Gewerbeschule Einsiedeln; Melchior Annen absolvierte eine Lehre als Lithograf bei Benziger und war später während zehn Jahren als Zeichner und Maler in der Grafischen Anstalt Orell Füssli in Zürich tätig. Seine frühesten Plakate entstanden um 1890. Nach dem Ersten Weltkrieg war er einer der Ersten, die auch politische Plakate entwarfen. Zehnder wie Annen arbeiteten regelmässig mit dem Benziger Verlag zusammen und entwarfen für diesen auch mehrere politische und touristische Plakate.
Ganz im Stil der damaligen Zeit integrierten Künstler wie Zehnder und Annen Ansichten und Streckenpläne in ihre Entwürfe von Tourismusplakaten. Diese mussten aus nächster Nähe, also direkt vor dem Plakat stehend, gelesen werden. Mehrere Motive wurden um ein zentrales Bild angeordnet und mit einer Landkarte oder einem Zugfahrplan ergänzt.
Jedoch zeigte sich schon bald, dass Motiv und Text den Betrachter gleichzeitig fesseln müssen, damit ein Plakat seine optimale Wirkung entfalten kann. Statt einer Ansammlung verschiedener Bilder stellte man deshalb nur noch ein einzelnes charakteristisches Sujet dar und erzielte so einen «plakativen» Effekt. Die gestalterischen Kriterien wurden dabei immer wichtiger: Das Format wurde grösser, die Schrift markanter, die Farben satter. Mit kräftiger Umrisslinie dargestellte Politiker, Schützen, Turner oder Bauern nahmen nun den grössten Teil der Bildfläche in Anspruch.
Die damaligen Sujets und die mittels Plakate ausgefochtenen politischen Auseinandersetzungen sind uns längst nicht mehr immer vertraut. Doch die Plakate und ihre Sujets funktionieren in ihrer Bildsprache und ihrer prägnanten Dramatik noch immer. Von welchen Wahlplakaten, die momentan aushängen, wird man das in ein paar Jahrzehnten wohl noch sagen können?
Das Museum Fram arbeitet zurzeit an der Digitalisierung und Inventarisierung seiner Plakatsammlung – und bringt so kostbare Bilderschätze wieder ans Licht.
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