22. November 2018
Willi Gautschi und der Landesstreik

Es sei ein «Meisterwerk», ist im Editorial der neuesten Ausgabe der geschichtswissenschaftlichen Zeitschrift «traverse» zu lesen. Die Rede ist vom Buch «Der Landesstreik 1918» des Aargauer Lehrers und Historikers Willi Gautschi (1920-2004), das 1968 im Einsiedler Benziger Verlag erschien. Zum 50. Jahrestag des Landesstreiks räumte Gautschi mit der These auf, dass es dem Oltener Aktionskomitee unter der Führung von Nationalrat Robert Grimm darum gegangen sei, ein Jahr nach der Russischen Revolution die Diktatur des Proletariats auch in der Schweiz auszurufen. In seiner umfangreichen Analyse kam er zum Schluss, «dass die Ereignisse vom November 1918 vorwiegend bewirkt wurden durch die wirtschaftliche Bedrängnis, in die breite Schichten des Schweizervolkes durch die Kriegsverhältnisse geraten waren». Der Autor profitierte bei seinen Nachforschungen davon, dass die gesetzlichen Sperrfristen für Archivbestände vom damaligen Bundesrat Hanspeter Tschudi kurz vor dem 50. Jahrestag aufgehoben wurden.

Gautschi beschäftigte sich mit dem Landesstreik und speziell mit dem Oltener Aktionskomitee bereits Mitte der 50er-Jahre in seiner Dissertation. Wohl deshalb fragte ihn Peter Keckeis, der Leiter des Benziger Verlags, ob er eine grössere Studie zum Thema verfassen würde. Dass diese dann in den ersten Monaten gleich in 5000 Exemplaren verkauft und das Buch dereinst als Standardwerk gelten würde, konnten Autor und Verleger nicht ahnen. Und auch nicht, dass die NZZ Ende Oktober 2018 «vom bis heute gültigen Befund des Historikers Willi Gautschi, wonach es sich beim Landesstreik um keine verhinderte Revolution gehandelt habe» schreiben würde.

Der Zürcher Chronos Verlag hat das Buch «Der Landesstreik 1918» sowie den Band mit Dokumenten, den Benziger 1971 herausgab, im Gedenkjahr 2018 neu aufgelegt.